Kolumne:
Der goldene Hammer

Um einen Handwerker zu finden – und ihn dann auch zu behalten – ist unser Kolumnist bereit, alles zu tun. Kekse? Anyone?

Meine Familie und ich wohnen in einer maroden, Kreuzberger Kackwohnung. Die Dielen quietschen, als ginge man über eine rheumakranke Zugbrücke. Die Fenster? Undicht. Unser winziges Waschbecken sah grau und schrott aus, als wir hier vor zwölf Jahren eingezogen sind. Und es ist seitdem noch grauer und schrotter geworden. Wenn diese Wohnung ein Haustier wäre, würde man es aus Mitleid erschießen. Unser Vermieter, ein haifischherziger Raffke mit kirschkerngroßer Kapitalistenseele, der nie ans Telefon geht, interessiert sich für den Zustand unserer Wohnung: kein Stück. Denn da jeder (außer mir ehrlich gesagt) in dieser hippen, runtergewohnten Hafermilch-Hölle von Stadtteil wohnen will, könnte unser Vermieter mit einem Fingerschnippen unsere Schrotthauf-Wohnung sofort an eine neue Deppenfamilie vermieten. Deshalb müssen wir unsere Wohnung jetzt auf eigene Kosten renovieren. Dafür brauchen wir nur noch: einen Handwerker. Doch das – ist ein Problem. Und ja, ich weiß: Der Satz „Handwerker finden ist so schwer“ klingt nach einem Downton-Abbey-Lord der vorm Kamin sitzend durch seine Zigarrenwolke hindurch nölt, es sei „so schwer gutes Personal zu bekommen.“ Es ist aber nicht schwer; es ist unmöglich. Ich habe bei neun Firmen angerufen. Neun! Die Antwort war immer eine Variante des gleichen, mitleidigen Lachens des ehemals unterprivilegierten Handwerkers, der jetzt am sehr viel längeren Hebel sitzt. „Also bis Frühjahr 2024 sinn‘ wa ausjebucht, vastehste?“ Verstehe.

Mein Freund Stulli hat mir, weil ich am Telefon fast geweint habe, jetzt einen Tischler vermittelt, der „ein Alleskönner“ sein soll, Stulli hat ihn „den goldenen Hammer“ genannt. Wow. Der goldene Hammer heißt Jason, kommt aus Brandenburg und war gestern zum ersten Mal bei uns. Jason wurde von meiner Freundin und mir willkommen geheißen wie ein verlorener Sohn oder der Arzt, der die Linkshänder-Spenderniere liefert, auf die man seit Jahren wartet: Mit Freude, Dankbarkeit und dem Wunsch, vor lauter Unterwerfung zu Fiepen. Denn wer so lange gewartet hat, der ist ja vor allem eines: ängstlich, dass der Hammer wieder abhaut. Als Jason bei uns ankam hatte ich – kein Witz – den Impuls, die Wohnung von Innen abzuschließen. Dass der Hammer dann das alte Waschbecken aus der Wand gestemmt und auch gleich den Badspiegel zerscheppert hat? Kein Problem. Freundin und ich haben das weggelächelt und ich Schleimer habe es sogar geschafft ein „Auf den Schreck erstmal einen Latte mit Zimtschaum, für Dich mit Keks Jason, habe ich selbst gebacken?“ zu sagen. Überhaupt scheine ich in Sachen Arschkriecherei hochbegabter zu sein als meine Freundin, die komisch feindselig gezuckt hat, als Jason ankündigte, die Fenster am Sonntagabend abzuschleifen, in dem Zeitfenster wenn normalerweise unser Kinder baden und eben einfach Wochenende ist. „Sonntagabend, perfekt, da sind wir eh zu Hause!“, habe ich mehr gejuchzt als geantwortet. Jason kam um 19 Uhr und ging um 22.20 Uhr. Ich war nur einen Atemzug davon entfernt ihm anzubieten, bei uns in der Besucherritze zu übernachten.
Ein Teil von mir hatte sogar die Fantasie, ihn ganz bei uns ganz einziehen zu lassen. Alle würden mich beneiden, die Wohnung hätte überall Dimmer, neue Fußleisten, vielleicht sogar dimmbare Fußleisten. Und ich würde mir etwas von Jasons diffuser Baumarkt-Sexyness abschauen, neben der mein Laptop-Leben besonders belanglos und cordhosig wirkt.
Aber daraus wird wohl nix. Jason sagt, er käme nächste Woche, „oder übernächste, wenn ich Zeit habe, versprechen kann ich nix.“ Mein früheres Ich hätte jetzt gemosert; der neue York ist da lockerer: „Ach das ist doch kein Problem, wir sind ja hier.“ Ich back schon mal die Kekse.