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pfeil Reportage: Im Sturm

Windstärke zwölf, drei Meter hohe Wellen. Wenn sich die See in ein brüllendes Gebirge verwandelt, reiten die 30 besten, deutschen Windsurfer dem Orkan entgegen. Entlang einer dünnen Linie, die Sport und Wahnsinn trennt.

November, 36 000 Kilometer über der Ostsee: Der Wettersatellit Meteosat 9 sendet ein Bild vom All zur Erde, das später europaweit in den Nachrichtensendungen zu sehen sein wird. Es zeigt eine dreitausend Kilometer lange Zunge, bestehend aus Wolken, Regen, Schnee und Hagel. Ein 140 Stundenkilometer schneller Polarwind schiebt sie voran, angetrieben von einem Orkantief über der Norwegensee. Aus der Warte des Satelliten sieht das Wetter, das kurz darauf auf die Ostseeküste prallen wird, wie eine Herde von weißen, galoppierenden Tieren aus. Ab 120 Kilometer pro Stunde sprechen Meteorologen von einem Orkan. Hier kommt etwas Größeres.
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pfeil Kolumne: Der golden Boy an der Harfe

Seit sieben Monaten ist York Pijahn Vater. Und bekommt seitdem Väterbücher geschenkt. Echt wahr – dabei kommt es als junger Vater doch vor allem auf eines an: perfekt zu lügen. Ein 5-Punkte-Plan

Die ersten Geschenkpäckchen kamen mit der Post. Alle weiteren drückten mir meine Freunde direkt in die Hand. „Für Euch.“ Schmelzender Blick. „Und ALLES Gute. Jetzt wird ja ALLES anders.“ Sie müssen sich diese Sätze in einem schwelgerischen Singsang vorgetragen vorstellen. Und mit einer winzigen Drohung, die wie ein Geruch durch die Worte weht. „Jetzt wird alles anders.“ In Klammern: „Wirst schon sehen, jetzt ist das Yuppie-Leben vorbei, Du alter Faulbeutel.“ Als wäre man endlich und als Letzter auch einer Sekte beigetreten, die auf einer Farm in Missouri darauf wartet, dass der Messias mit einem Ufo vorbeikommt. Ich mache das Paket auf und halte einen Eltern-Ratgeber speziell für Väter in der Hand. Davon habe ich ja erst sieben, nein acht, jetzt sind es neun, geschenkt bekommen. Im Titel kommt immer das Wort „Pappi“ oder „Vatti“ oder in der wilden Variante „Kacki!“ vor.
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pfeil Kolumne: Airport mi amor: Vom Flughafen abgeholt werden

Gibt es etwas Besseres, als am Flughafen abgeholt zu werden? York Pijahn sagt: nein. Und fragt sich, warum das so ist

Ich mag den Moment, wenn die Stewardessen im Flugzeug das Licht herunterdrehen. Wenn ich in der letzten Maschine nach Hause sitze, von Frankfurt oder München aus – zurück nach Hamburg. Wenn sich das Flugzeug im Landeanflug in die Kurve legt wie ein Wal in schwerer See. Wenn es dunkel wird und draußen die Stadt unter einem glüht wie etwas, das am Meeresboden liegt. Auch die zähesten Geschäftsreisenden, die in ihren schlecht sitzenden hellgrauen Anzügen und Kurzarmhemden aussehen, als seien sie Azubis im Außendienst der Telekom, gucken dann aus dem Fenster. Sie klappen das Laptop zu. Sie hören auf, die Nüsse aus den kleinen silbernen Tüten zu mampfen und schauen, ob sie irgendwo unter sich ihr Haus sehen können. Das Bekannte, da unten. Die Stewardessen, diese effekthascherischen Biestchen, wissen genau, warum sie das Licht runter drehen. Denn kein Passagier kann sich diesem Gefühl entziehen. Es ist kitschig und unschlagbar: nach Hause kommen.
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pfeil Reportage: D-DAY für die ganze Familie

3500 Hobbysoldaten spielen in Oklahoma den Zweiten Weltkrieg nach — und zwar die Landung der Alliierten in der Normandie. Ein Frontbericht

GOOOOOD MORNING, VIETNAM! Die Lautsprecherstimme plärrt vom Wachturm aus über die Baumwipfel. Sie schwebt über Campingbussen, Pick-up-Trucks und schneidet durch die Stoffwände von Armeezelten. Es ist sechs Uhr früh in Oklahoma. Die Sonne scheint, das Thermometer steht auf 26 Grad. Zeit, den Krieg zu beginnen. „Jungs, raus aus den Betten, wir haben hier gleich einen Militärgottesdienst. Ein kleines Gebet kann nicht schaden, denn ihr seid beim Oklahoma D-Day. Geeeeet ready.“ Die Stimme aus dem Lautsprecher gehört Dewayne Convirs. Der 40-Jährige ist der Chef des Oklahoma D-Day. Einmal im Jahr wird unter seiner Leitung die Landung in der Normandie nachgespielt.
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pfeil Kolumne: Die Hölle hinterm Lärmschutzwall

Nichts ist schlimmer, als wenn die Freunde anfangen Häuser zu bauen. Findet York Pijahn und zieht die Gummistiefel an

Vor zehn Minuten sind wir in der Hölle angekommen und ich sage zu meinem Freund Stulli: „Sieht super aus, das wird sicher total gemütlich. Und die Kinder werden es liiieben.“ Die Hölle: Das ist ein Neubaugebiet im Nordwesten Hamburgs, in dem Stulli für sich und seine Familie ein Haus baut. Wir stehen auf einer Betonplatte im Regen, um uns herum: eine Matschwüste, darüber ein grauer Himmel. Hier, auf der Betonplatte soll später einmal ein Balkon zu sehen sein, sagt Stulli, dessen Stimme sich gegen den Wind stemmt. Oder das Dach des Kinderzimmers. Oder ein Teil einer Garage. Oder von allem etwas, so genau habe ich das nicht verstanden. Aus den Pfützen auf der Betonplatte ragen rostige Drähte, eine Plastikplane flappt im Wind. All das liegt neun Meter vom Lärmschutzwall entfernt, „zur Innenstadt sind es 50 Minuten“, sagt Stulli. „Falls man einen raketengeriebenen Helikopter hat“, denke ich. Lieber würde ich in ein nordkoreanisches Braunkohlenbergwerk ziehen als hierhin. Stulli: „Und? Wie findest Du es?“ Ich: „Es ist ein Traum.“
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pfeil Kolumne: Und plötzlich ohne Job

Gefeuert werden ist wie verlassen werden. Man ist zornig, traurig und fängt irgendwann wieder ganz von vorne an. Genauso geht es York Pijahns Freund Felix. Eine Arbeitsgeschichte

Die Worte kommen aus Felix’ Mund begleitet von einer kleinen Atemwolke, die weiß in der kalten Winterluft steht. Über uns die Nachmittagssonne und ein paar Möwen. Wir sitzen oberhalb des Hamburger Hafens vor einem Café: mein Freund Felix und ich. Die Kellnerin hat jedem eine Wolldecke gebracht, wir sehen aus wie Kreuzfahrt-Rentner auf Eismeer-Tour. „Verdammt Alter, was für ein Mist.“

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